Klimaplan: Ökologie I
Ökologie und eine enkeltaugliche Umweltpolitik I
Laut IPBES (Intergovernmental Science-Policy Plattform on Biodiversity and Ecosystem Services) verzeichnen wir weltweit substanzielle Verschlechterungen der Artenvielfalt und Ökosystemleistungen [1]. Der Verlust an Biodiversität schreitet gegenwärtig so schnell voran, wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Für die menschliche Existenz ist eine intakte Natur jedoch Voraussetzung [15]. Zurzeit betreiben wir durch unseren Lebensstil Raubbau an unseren eigenen Lebensgrundlagen. Mittlerweile sind 75% der Landfläche auf der Erde vom Menschen signifikant verändert, 66% der Meere sind gestört und 85% der Feuchtgebiete sind zerstört worden [1]. Wir befinden uns mitten im sechsten Massenartensterben. Die Geschwindigkeit der Aussterberate ist so hoch wie sie seit 10 Mio. Jahren nicht mehr war. Ein Viertel der Tier- und Pflanzenarten auf der Welt sind mittlerweile bedroht, somit stehen 1 Mio. Arten kurz vor dem Aussterben. Dabei gehen sowohl die Anzahl der Arten als auch die Anzahl der Individuen stark zurück [2;3]. Die größten Treiber der Veränderungen sind dabei: Landnutzungsänderungen, direkte Ausbeutung von Organismen, Klimawandel, Verschmutzung und die Einwanderung fremder Arten, welche oft mit der Verdrängung heimischer Arten einhergeht [1]. Artenvielfalt und Ökosysteme bilden die Grundlage für unser aller Wohlergehen und sind in vielen Bereichen lebensnotwendig.
Lebensräume und Artengemeinschaften bilden die direkte oder indirekte Voraussetzung einzelner Ökosystemleistungen. Durch intensive Flächennutzung geraten diese Voraussetzungen jedoch zunehmend in Gefahr [4].Der verantwortungsvolle Umgang mit unseren planetaren Ressourcen, unserer Natur und ihren komplexen Ökosystemen muss in der Gesellschaft und vor allem in der Wirtschaft einen höheren Stellenwert einnehmen und seinen wahren Wert beigemessen bekommen [15]. Nur so können wir einen weiteren Verfall stoppen, umkehren und Artenvielfalt und Ökosystem regenerieren und renaturieren.
Der Erhalt von Biodiversität und Ökosystemen kostet bedeutende weniger als ihre Wiederherstellung nach einer nachhaltigen Schädigung. Zudem liefern intakte Ökosysteme die Grundlage für Nahrungsmittel, für die Herstellung von Produkten, für die Energieversorgung, für Erholung und besitzen daher auch einen erheblichen ökonomischen Wert.[15] Damit ist es auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, in den Schutz unserer Ökosysteme und Biodiversität zu investieren.
Ökozid als Straftatbestand
Der Ökozid, d.h. die großflächige Zerstörung von Ökosystemen, muss im EU-Strafrecht, mindestens auf Bundesebene, als Verbrechen eingestuft werden. Das heißt, das großflächige Abholzung, Ölkatastrophen, industrieller Fischfang oder auch weltweite Plastikverschmutzung als Verbrechen wahrgenommen und geahndet werden müssen, da derzeit Regierungen und Unternehmen keine rechtlichen Konsequenzen zu fürchten haben.
Als Voraussetzung für die Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen ist die Einhaltung der natürlichen Regenerationsfähigkeit von Ökosystemen zu achten und zu wahren. Ökosysteme erhalten dadurch einen höheren Stellenwert und Biodiversität und Ökosystemleistungen können effektiver geschützt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass das Land Nordrhein-Westfalen sich für die Einführung des Straftatbestandes des Ökozids einsetzt.
Moore schützen und regenerieren
Moore bilden einzigartige Lebensräume für seltene Pflanzen- und Tiergesellschaften, die sich an das nährstoffarme, nasse und saure Milieu innerhalb der Moorlandschaften angepasst haben. Diese sogenannten Spezialisten reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen innerhalb ihrer Umwelt, was Moore zu hochsensiblen Ökosystemen macht.
Weltweit speichern Moore doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen, obwohl sie nur 3% der Landfläche einnehmen.[5]
Neben dem Binden von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, besitzen intakte Moorlandschaften zudem eine Wasserfilterfunktion, welche für die regionale Grundwasserneubildung von großen Nutzen sein kann. Eine weitere bedeutsame Ökosystemdienstleistung, die vor allem zum Hochwasserschutz beitragen kann, ist die hohe Wasserspeicherfähigkeit und verringerte Abflussgeschwindigkeit an die umliegende Umgebung.
Das macht sie zu einem enorm wichtigen Element bei der Bewältigung der Klimakrise.
Trotz des Vorkommens einer seltenen Flora und Fauna, sowie der Regulation des regionalen Wasserhaushalts und ihrer enormen CO2-speicher-Kapazität werden Moore schon lange von Menschen trockengelegt und fast unwiederbringlich zerstört. Dabei entweichen enorme Mengen an CO2, welche in die Atmosphäre freigesetzt werden und somit große Auswirkungen auf das Klima haben. Hinterher können diese Flächen nur noch wenig CO2 binden und speichern, da diese Funktionen hauptsächlich nur unter wassergesättigten Bedingungen möglich sind. Zum einen werden sie trockengelegt, um die Böden landwirtschaftlich zu nutzen, zum anderen wird der Torf direkt abgebaut, um ihn z.B. als Dünger für Gartenerde zu benutzen. Über ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft stammen von trockengelegten Feuchtgebieten [7].
Ursprünglich waren 5% der Fläche Deutschlands mit Mooren bedeckt, was der Fläche von Sachsen entspricht. Heute beträgt die Fläche nur noch 0,1%, was der Größe von Bremen entspricht [6].
Moore müssen wieder zu echten Klimaschützern werden. Dafür wollen wir folgende Maßnahmen umsetzen:
Die Torfminderungsstrategie: Hier werden wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass ein sofortiger Stopp jeglichen Torfabbaus umgesetzt wird.
Importverbot torfhaltiger Produkte.
Förderung von Torfalternativen und ihrer Erforschung.
Unterschutzstellung sämtlicher intakter Moorflächen sowie die Erweiterung bereits bestehender Schutzgebiete.
Großflächige Wiedervernässungsprogramme zur Renaturierung, wie z. B. der Bergischen Heidetrasse.
Flächenverbrauch/-versiegelung stoppen
Jeden Tag werden in Deutschland 52 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche neu ausgewiesen [8]. Das ist eine Fläche so groß wie 72 Fußballfelder. Dieser Prozess schreitet schleichend voran, wodurch er von Bürger*innen und Entscheidungsträger*innen kaum wahrgenommen wird. In Nordrhein-Westfalen gehen täglich 10 Hektar wertvolle Natur- und Freifläche sowie 17 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren [LANUV (nrw.de)]. Die entwendeten Flächen stehen der Landwirtschaft und der Natur als Lebensraum nicht mehr zur Verfügung. Gerade für intakte Ökosysteme hat eine Zerschneidung oft fatale Auswirkungen und schädigen diese maßgeblich. Von den Flächen, die für Siedlung und Verkehr verbraucht werden, sind ca. 45% versiegelt, d.h. bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt [9]. Wichtige Bodenfunktionen, wie Wasserdurchlässigkeit, Gasaustausch mit der Atmosphäre (gesunde Böden können sehr viel CO2 aufnehmen und speichern) und Bodenfruchtbarkeit gehen damit verloren. Dieser dramatische Flächenverbrauch muss endlich gestoppt werden!
Deshalb wollen wir folgende Maßnahmen umsetzen:
Bis 2030 wird der Flächenverbrauch in NRW auf 0 ha reduziert, dazu wird die Landesbauordnung angepasst.
Neubauten dürfen nur noch auf bereits bestehenden Siedlungs- und Verkehrsflächen entstehen, so wird eine Neuversiegelung von ökologisch wertvollen Flächen verhindert.
Bestehende Siedlungs- und Verkehrsflächen sollen effektiver genutzt werden, hierzu zählt vor allem auch die Umwidmung von leerstehender Gewerbefläche.
Nicht mehr benötigte Siedlungs- und Verkehrsflächen müssen entsiegelt/renaturiert werden.
Einführung einer Flächenverbrauchssteuer, die eine Weiterentwicklung der Grunderwerbssteuer darstellt. Damit werden Anreize geschaffen, weniger Fläche zu bebauen [16].
(Bei unvermeidbarer Versieglung, muss eine doppelte Fläche an anderer Stelle entsiegelt werden.)
Die Landesbauordnung wird in Bezug auf Schottergärten konkretisiert. Zwar ist es bereits gesetzlich verankert, dass nicht überbaute Flächen wasseraufnahmefähig zu belassen bzw. herzustellen und zu begrünen sind, allerdings wird dies in der Praxis nicht gelebt. Eine Konkretisierung, dass dies Schottergärten einschließt erleichtert den Kommunen die Kontrolle. Des Weiteren gilt dies auch für die Umwandlung von Vorgärten in Parkplätze.
Artenvielfalt und natürliche Lebensräume erhalten
Das Ausmaß des Artenverlustes ist größer als jemals zuvor. Arten sterben 100- bis 1000-mal schneller aus als vor Beginn menschlicher Einflussnahme [10]. In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl der Arten, die vom Aussterben bedroht sind, fast verdreifacht. Dabei ist die Artenvielfalt vor allem durch den Lebensraumverlust bedroht. Entwaldung, Landwirtschaft und Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr dezimieren natürliche Lebensräume [11]. Wir müssen natürliche Lebensräume konsequent schützen, bewahren und wiederherstellen, um den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen. Die Artenvielfalt ist eine grundlegende Säule aller Ökosysteme und sichert damit auch den Erhalt unserer Lebensgrundlage.
Albert Einstein hat einmal passend zusammengefasst: Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch 4 Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.
Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 hat 10% als streng zu schützende Gebiete für die Mitgliedsstaaten festgelegt. Deutschland hatte bis 2020 das Ziel, 2% Wildnisgebiete zu schaffen, mit gerade mal 0,6% ist selbst dieses verhältnismäßig kleine Ziel gescheitert. Auch Nordrhein-Westfalen schneidet mit 0,19% Wildnisfläche erschreckend schlecht ab. Wenn wir geeignete Bedingungen schaffen, kann sich die Artenvielfalt auch wieder erholen.
Dafür müssen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Starke Einschränkung der Ausbringung von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden; deren prophylaktische Verwendung wird gänzlich verboten.
Hinwirken auf Bundes- und EU-Ebene, ein Verkaufsverbot von Pestiziden an den Privatverbraucher, da ein sachgemäßer Umgang nicht gewährleistet werden kann, zu erwirken.
Gezielter Ausbau des Ausbildungs- und Beratungsangebots für Landwirt*innen und Pflanzenschutzberater*innen für Alternativen zum Pestizideinsatz [17].
Bessere Kommunikation zwischen Wissenschaft (Agrarökologie) und Landwirt*innen, Pflanzenschutzberater*innen und Entscheidungsträger*innen, damit neue Erkenntnisse direkt in die Praxis übertragen werden [17].
Das Land Nordrhein-Westfalen muss auf eine Änderung der EU-Agrarsubventionen hinarbeiten. Subventionen dürfen nur noch in Kombination mit Anlage und Erhalt von Biotopen, Hecken und Blühstreifen gewährt werden. Eine Mindestfläche an Biotopen ist festzusetzen (mindestens 10% der landwirtschaftlich genutzten Fläche) Umweltschutzmaßnahmen sind finanziell so zu honorieren, dass ihre Umsetzung ein starker finanzieller Anreiz ist. Somit geschieht eine Umschichtung der Agrarförderung von Säule 1 auf Säule 2 [20].
Bestehende intakte Lebensräume müssen konsequent unter Schutz gestellt werden. EU-Vorgaben (wie FFH-Richtlinie) müssen konsequenter umgesetzt werden.
Schaffung von weiteren Nationalparks nach dem Model des Nationalpark -Eifel.
Der Staatswald NRW umfasst 118.000 ha. Das entspricht ca. 13% der Gesamtwaldfläche in NRW. Wir streben an, bis 2027 10%, bis 2031 20% und bis 2040 40% des Staatswaldes (insgesamt 47.200 ha) in Naturschutzgebiete bzw. Wildnisgebiete, wo möglich mind. 1.000 ha zusammenhängend, umzuwandeln. So werden derzeitig verinselte Schutzgebiete, eingegliedert und es entsteht ein grünes Band durch NRW. Innerhalb dieser Schutzgebiete wird Forstwirtschaft und das Verjüngen des Waldes verboten. Die Aufforstung mit klimaresilienten Bäumen, sofern sie nicht in Monokulturen angelegt werden, muss fortlaufend erfolgen.
Bessere Kooperation im Naturschutz innerhalb der Bundesrepublik, der EU und auch global fördern. Sanktionierung anderer Staaten, die Naturschutz missachten.
In Kommunen soll eine Mindestfläche an Grünflächen, abhängig von der Einwohnerzahl, vorgegeben werden.
Verpflichtende Fassaden- und Dachbegrünung (mindestens 20% der Gebäudeoberfläche), was Dies zur Dämmung, Luftqualität und Ökosystemleistung beiträgt. Ob dies extensiv oder intensiv geschieht, bleibt dabei dem/der Bauherr*in überlassen.
Stopp der Förderung von Biogas- und Bioenergiepflanzen über das EEG, da deren Anbau die Artenvielfalt stark schädigt. Regenerative Stromerzeugung kann besser über Agrarphotovoltaik gefördert werden, die höhere Stromerträge liefert und die Möglichkeit bietet, Artenvielfalt unter den Solarzellen zu stärken [19].
Umgang mit invasiven Arten verbessern, durch Förderung der Forschung und Förderung von Maßnahmen gegen die Ausbreitung solcher Arten.