Klimaplan: Intro II
Maßnahmen
Wie erreichen wir eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2035?
Wärmeversorgung landeseigener und kommunaler städtischer Gebäude auf klimaneutrale Alternativen umstellen
gezielte Fördermaßnahmen für Bestandsgebäude zur Umstellung auf klimaneutrale Wärmeversorgung
Verpflichtung zu klimaneutraler Wärmeversorgung (z.B. Erdwärme, Solarthermie) von Neubauten
energetische Sanierung der Bestandsgebäude mittels Zuschüssen fördern
Ausbau des Fernwärmenetzes, so dass ausschließlich erneuerbare Energiequellen eingebunden werden, mit einem Maximalwert von 80°C (zum Vergleich: derzeit bis zu 125°C)
Fernwärmeproduktion verstärkt auf die Nutzung von der Abwärme der Industrie und erneuerbaren Energien ausrichten
Wie erreichen wir eine klimaneutrale Stromversorgung bis 2035?
alle städtischen Dächer kurzfristig mit Photovoltaik ausrüsten
landeseigene und kommunale Flächen auf Photovoltaik-Tauglichkeit prüfen
naturverträgliche und biodiversitätsfreundliche Solarparks (Minimierung des unvermeidbaren Eingriffes in Natur- und Landschaft und einen nötigen Ausgleich)
Photovoltaikpflicht auf allen Dächern von Neubauten
gezielte Fördermaßnahmen für Bestandsgebäude zur Photovoltaik-Nachrüstung
Förderung von Energiegenossenschaften und Mieterstrommodellen
genehmigungsfreie Balkonsolaranlagen, die nicht vom Vermieter verboten werden dürfen
Beschleunigter Ausbau von Windenergie
Die für den rasanten Ausbau der Windenergie notwendigen Vorranggebiete werden in den Landesentwicklungsplan und in Regionalplänen des Landes NRW ausgewiesen. Bereits parallel zur Ausweisung von Vorranggebieten werden Vorprüfungen für die Genehmigung von Windkraftanlagen durchgeführt. Die Genehmigungsverfahren werden entbürokratisiert und durch die Digitalisierung der Genehmigungsprozesse vereinfacht und beschleunigt. Die aktuell vorhandenen Abstandsregelungen und die Höhenbeschränkungen für Windkraftanlagen werden abgeschafft und für das Repowering von Bestandsanlagen wird ein deutlich vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren ermöglicht. Bürger*innen oder Kommunen, die in unmittelbarer Nähe zu einer geplanten Windkraftanlage liegen, werden am Gewinn der Windkraftanlage beteiligt. Diese Maßnahme erhöht die Akzeptanz und Zustimmung der Bürger*innen und Kommunen für das Errichten weiterer Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe.
Wie sieht es mit der Klimabilanz von Windkraftanlagen aus?
Laut Umweltbundesamt (UBA) erzeugen Windräder in 2,5 bis 11 Monaten Betrieb die Energiemenge, die zu ihrer Herstellung erforderlich war. Im Schnitt laufen Windräder etwa 25 Jahre, in dieser Zeit wird also 40-mal! mehr Energie erzeugt als zu ihrer Herstellung, Nutzung und Entsorgung nötig ist. Besonders die Produktion von Stahl und Zement setzt Unmengen CO2 frei. Diese "Vorkettenemissionen" werden bei der Gesamtbilanz einer Windkraftanlage bis zum Rückbau eingerechnet. Eine heute neu gebaute Anlage an Land verursacht laut UBA rund 9 gCO2/kWh Strom (Offshore 7 gCO2/kWh (im Vergleich: Erdgas 442 gCO2/kWh und Braunkohle 1034 gCO2/kWh).
Wie sieht es mit dem immer wieder zu hörenden Recyclingproblem der Windkraftanlagen aus?
Hauptbestandteile einer Windkraftanlage sind Beton (Fundament), Stahl (Turm und Getriebe) sowie Verbundwerkstoffe. Der Beton wird zerkleinert und kann dann z.B. im Straßenbau eingesetzt werden. Der wertvolle Stahl wird zu neuem Stahl eingeschmolzen und so recycelt. Schwieriger ist das Recycling der Rotorblätter. Diese können nur aufwendig durch Pyrolyse getrennt werden. Allerdings werden aktuell die ersten Rotorblätter für große Offshore Anlagen aus recyclebaren Materialien hergestellt.
Moderne Windkraftanlagen sind wesentlich effizienter und erzeugen bis zu 20-mal mehr Strom als vor 25 Jahren: Sie sind höher, größer und haben längere Flügel. Das senkt den Preis, so dass heutige Anlagen 72% weniger kosten als 2009!
Der Strompreis variiert heute zwischen 4 Cent (Küste) bis 8 Cent (schwächerer Wind) (laut Fraunhofer ISE Studie)
Beschleunigter Ausbau von Photovoltaik
Im Neubau und bei Dachsanierungen wird eine Nutzungspflicht für Photovoltaik gesetzlich vorgeschrieben. Alle landeseigenen und kommunalen Dachflächen sowie geeignete Fassaden werden bis 2030 vollständig mit Photovoltaik ausgerüstet, wobei 30% der Flächen bereits 2025 ausgerüstet sein müssen.
Alle Flächen, die Photovoltaiknutzung erlauben, sollen genutzt werden.
Das Land NRW beteiligt sich jeweils mit 40% der Kosten einer PV-Anlage, wahlweise auf dem privaten Dach, bei schwimmenden Solarparks, z.B. auf Seen und Flüssen, auf Autobahndächern oder Schallschutzwänden, sowie in Agri-Photovoltaik (Agri-PV) Anlagen auf und an Ackerflächen. Damit schafft das Land einen enormen Photovoltaik-Zubau und die Bürger*innen profitieren von einer finanziellen Beteiligung an den Gewinnen der Anlagen, was zur Steigerung der Zustimmung zu weiteren Energiewende- und Klimaschutz-Maßnahmen führt.
Wie sieht es mit der Klimabilanz von Photo-Voltaik-Anlagen aus?
Auch PV-Anlagen verursachen während Ihres Lebenszyklus CO2! Eine heute neu gebaute PV-Anlage verursacht 33gCO2/kWh Strom (im Vergleich: Erdgas 442gCO2/kWh und Braunkohle 1034gCO2/kWh). Durch weitere Effizienzsteigerungen wird dieser Wert in Zukunft noch geringer werden.
Auch bei den PV-Anlagen sind im Gegenzug zur Effizienzsteigerung, die Herstellungskosten weiter gesunken und werden weiter sinken (seit 2009 um rund 90%). Eine kWh aus einem Solarpark kostet heute 2 bis 6 Cent/kWh (i.V. Erdgas 11Cent/kWh oder Kohle 16 Cent/kWh).
Die mit der Digitalisierung eingesparten Arbeitskapazitäten werden zusammen mit zusätzlich ausgebildetem Personal regional gebündelt, um eine landesweit flächendeckende Unterstützung der Kommunen für einen schnellen Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen zu gewährleisten.
Weitere Maßnahmen für den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen werden im Kapitel Gebäude beschrieben.
Mehr Bürger*innenpartizipation und eine Energiewende NRW:
In Köln wurden durch die Bürgerinitiative "Klimawende Köln" eine Vereinbarung mit der RheinEnergie, als größtem Einzelproduzenten von CO2, erzielt.
Die Rheinenergie verpflichtet sich darin, bis 2035 Strom und Wärme klimaneutral zur Verfügung zu stellen und zu produzieren.
Weitere Möglichkeiten der Partizipation sind Strombezug von Genossenschaften oder Bürger*innenwerken oder auch die Mitarbeit bei diesen.
Kommunen sollen durch die Landesregierung finanziell sowie personell unterstützt werden, Energiegenossenschaften (eG) zu gründen. Bürger*innen können Anteile und Stimmrecht erwerben und partizipieren somit direkt von der Energiewende vor Ort.
Versorgungssicherheit gewährleisten
Wenn die Stromproduktion die Nachfrage von Verbraucher*innen übersteigt und der überschüssige Strom nicht über das Netz verteilt werden kann, wird der Strom in Speicher eingespeist. Ihre intelligente Einbindung in das Netz garantiert eine nachhaltige Versorgungssicherheit bei Windflauten und Dunkelphasen. Bereits heute gibt es Abkommen zwischen Deutschland und Norwegen, wo überschüssige Windenergie von Deutschland genutzt wird, um Wasser in ein sogenanntes Oberbecken zu fördern. Bei Windflaute wird dieses Wasser verwendet, um Turbinen anzutreiben und dann den Strom zurück nach Deutschland zu fördern. Solche Art der Speicherung sollte wesentliche Verbreitung finden.
Für Kurzzeitspeicher sind aktuell Batterien die effizienteste Speicheroption. Daher möchten wir die nordrhein-westfälischen Förderprogramme für Batteriespeicher erweitern. Für die Erweiterung der Kurzzeitspeicher-Kapazitäten dienen neben stationären Batteriespeichern auch Elektrofahrzeuge. Sie können mithilfe von bidirektionalen Ladesystemen überschüssigen Strom aus Photovoltaik-Anlagen in ihren Batterien speichern und bei Spitzenlastzeiten an die Verbraucher im Haus abgeben. Ein Strombezug aus dem regionalen Netz kann dadurch absolut minimiert werden.
Neben der Installation dezentraler Kleinspeicher wird bevorzugt der Auf- und Ausbau von sogenannten Quartierspeicher im Neubau und Bestand gefördert. Um Spannungsschwankungen im Stromnetz auszugleichen, sind die in das System implementierten Batterien in ein Smart-Grid zu integrieren, diese sind digital und individuell ansteuerbar. Die Speicher leisten dadurch einen grundlegenden Beitrag zur Versorgungssicherheit bei einem Energiesystem, das zu 100% auf Basis erneuerbarer Energien betrieben wird.
Um eine saisonale Lastverteilung zwischen Sommer und Winter auszugleichen und eine belastbare und dauerhafte Energieversorgung zu gewährleisten, werden Langzeitspeicher als Backup-Systeme eingebracht. Für die Deckung des Wärme- und Strombedarfs werden bei Bedarf u.a. semizentrale Blockheizkraftwerke (BHKW) eingerichtet, die als Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit Biomasse aus Abfällen sowie Wasserstoff betrieben werden. Die überschüssige Energie bei Erzeugungsspitzen sowie zusätzlich installierte Erzeugungskapazitäten werden für die Herstellung von grünem Wasserstoff genutzt, der wiederum beim Betrieb von BHKWs zum Einsatz kommt.
Nah- und Fernwärmenetze
In Nordrhein-Westfalen wird eine Förderung für nachhaltige Nah- und Fernwärmenetze “Zukünftige Energieinfrastruktur” (ZEIS) analog zum Programm in Rheinland-Pfalz aufgelegt und klimaneutrale Quartiere gefördert (siehe auch Abschnitt Gebäude, Klimaneutrale Quartiere, 3). Mit einer digital gesteuerten und kombinierten Nutzung von verschiedenen Energiequellen wie beispielsweise Solarthermie, Bioenergie, Geothermie, Wärmepumpen, industrielle Abwärme und Flusswasserwärme werden die jeweils wirtschaftlichsten Energiepotenziale eingebunden.
Zudem soll durch eine Zusammenarbeit zwischen der Landes- und Kommunalebene gewährleistet werden, dass weitere Kombinationen - wie beispielsweise mit Wind- und Solarkraftanlagen - ermöglicht werden. Mit einer Entbürokratisierung und Digitalisierung wird das Umsetzen von Maßnahmen beschleunigt. Zum Beispiel blockiert die derzeitige EEG-Regulierung die Möglichkeit, den privaten Strom aus erneuerbaren Energien mit benachbarten Eigentümer*innen zu teilen. Wird überschüssiger Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage in einen Quartierspeicher eingespeist, entfällt die Einstufung als Eigenstrom. Die Kosten für den Rückkauf des Stroms aus dem Quartierspeicher übersteigen erheblich die Einnahmen durch die Einspeisung.
Auf Landesebene setzen wir uns dafür ein, dass die Regulierungen auf Bundesebene abgeändert werden, um die Potenziale erneuerbarer Energien und ihre Speicherung effektiver ausschöpfen zu können. In der Übergangszeit werden durch ein Förderprogramm lokale Stromkosten, die durch den Bezug aus Quartierspeichern entstehen, finanziell bezuschusst. Hierdurch wird die wirtschaftliche Attraktivität der Quartierspeicher, die bei der kompletten Umstellung auf EE die Versorgungssicherheit mit gewährleisten werden, gesteigert und der Zubau beschleunigt. Zur Umsetzung wird in Nordrhein-Westfalen ein dezentraler Energiemarkt entwickelt, an der lokal erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien verkauft und gekauft werden kann. Diese Plattform soll den Grundstein für innovative Lösungen legen, die Energiepotenzial erkennen, sodass Stromkäufe und -verkäufe nach Lastnotwendigkeit intelligent und automatisiert erfolgen.
Energieautarke Kläranlagen
Um Kläranlagen klimaneutral und zu energieerzeugenden Anlagen umzugestalten, wird ihr Umbau über Landesmittel gefördert. Ziel ist die Senkung des Energieverbrauchs der Kläranlage und die Steigerung der Eigenstromerzeugung bis hin zur vollständigen Selbstversorgung bzw. zur Stromproduktionsanlage [4].
Quellenangaben
[1] Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV): https://www.energieatlas.nrw.de/site/werkzeuge/energiestatistik (abgerufen am 4.12.2021)
[2] Steigerung des Stromverbrauchs in Deutschland bis hin zur Klimaneutralität nach Agora Energiewende (2020): Klimaneutrales Deutschland. Berlin. https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2020/2020_10_KNDE/A-EW_195_KNDE_WEB.pdf (abgerufen am 29.01.2022).
[3] Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz (2020): Förderung der Energiewende. Förderprogramme des Landes im Bereich Energie. In: https://mueef.rlp.de/de/themen/energie-und-strahlenschutz/foerderung-der-energiewende/ (12.12.2020).
[4] Energieagentur Rheinland-Pfalz (2016): Kaiserslautern: Von der stromfressenden Kläranlage zum Energieproduzent. In: https://www.energieagentur.rlp.de/kommune/tatentransfer/kaiserslautern-von-der-stromfressenden-klaeranlage-zum-energieproduzent/